Neureichs Annalen

Es gibt da eine Dame mit einem wunderschönen Namen, mit der ich drei- bis viermal im Jahr ausgehe. Meist sind die Cocktailbars der Großstadt unser Ziel und sie erweist sich stets als angenehme und geistreiche Begleiterin. Als langjährige Singlefrau erzählt sie gerne von jenen Dingen, die man in dieser Eigenschaft erleben kann: Onlinedating, coole und doofe Bekanntschaften, One-Night-Stands und so weiter. Anregende Themen, bei denen zwischen Mann und Frau gerne eine süßlich klebrige Spannung entsteht. Man rückt näher, der Blick in die Augen wird tiefer, das Lächeln länger, Berührungen häufiger. Auch die Caipis helfen fleißig mit! Da sie als zierliche Person jedoch im Umgang mit Alkohol eine gewisse Zurückhaltung üben muss, arbeite ich mir bei den Mixgetränken regelmäßig im Laufe eines solchen Abends einen deutlichen Vorsprung heraus. Als mein zweiter Mai-Tai sich dem Ende nähert spreche ich die Frage aus, die mir gerade durch den Kopf geht. „Warum sind wir eigentlich noch nie zusammen im Bett gelandet?“, frage ich und assoziiere beim Aussprechen ihres wunderschönen Namens flüchtig eine duftende Blumenwiese in der Toskana. „Weil Du immer mit irgendwelchen Frauen zusammen bist, die Du mit irgendwelchen Frauen wie mir zu betrügen versuchst“, analysiert sie charmant lächelnd. „Stimmt nicht“, entgegne ich nach kurzer Überlegung, „vor drei Jahren auf der Hochzeitsparty von K. und S., da war ich Single!“. Reizvoll, so gesteht sie, sei dies damals schon gewesen, aber „dann wär´ ich ja bald die Betrogene gewesen!“ Diese Logik überfordert während des dritten und letzten Mai-Tai eindeutig das benebelte Hirn. Mehr mechanisch protestiere ich, soo schlimm ja nun auch wieder nicht zu sein und denke mir, „Neureich, Du musst dringend an Deiner Außendarstellung arbeiten!“.